Runder Tisch zum Artenschutz

Nach der Einigung zwischen Landesregierung und Vertretern des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ im Oktober, die Unterschriftenaktion bis Mitte Dezember auszusetzen, ist die Diskussion über das Volksbegehren ruhiger geworden. Unter dem Titel„Runder Tisch zum Artenschutz“ hatte der Kreisverband Ortenau von Bündnis 90/die Grünen Landwirte und andere Interessierte eingeladen, sich in entspannter Runde mit Politikern der Grünen sowie Befürwortern und Kritikern von „Rettet die Bienen“ zum aktuellen Stand der Verhandlungen auszutauschen. Als geladene Diskussionsführer konnten MdL Thomas Marwein von den Grünen und Petra Rumpel von der Kreisgruppe Ortenau des BUND begrüßt werden.

Karl-Heinz Trick, der durch den Abend führte, erläuterte, dass Tobias Miltenberger, einer der beiden Initiatoren von „Rettet die Bienen“, sowie Dr. Christian Eichert von Bioland und Unterstützer des Volksbegehrens aufgrund ihrer Teilnahme an den aktuell in Stuttgart laufenden Verhandlungen nicht anwesend sein konnten. Stefan Schrempp, Vertreter des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes BLHV und Gegner des Volksbegehrens, hatte sich aus gesundheitlichen Gründen für den Abend entschuldigt.

Thomas Marwein stellte eingangs heraus, dass das ausgehandelte Eckpunktepapier was Regelungen zum Pestizideinsatz anbelangt, berechtigte Sorgen der Landwirte aufgegriffen habe. Gleichzeitig integriere es auch im Volksbegehrenstext nicht angesprochene Verursacher des Artensterbens, wie etwa die Lichtverschmutzung. Marwein berichtete aus Stuttgart, dass der für Mitte Dezember geforderte Gesetzesentwurf fristgemäß vorliegen dürfte und verwies darauf, dass es in der Folge eine öffentliche Beteiligungsrunde, auch online, geben werde. Er stellte in Aussicht, dass das Gesetz zwischen Ostern und Pfingsten im Landtag zur Verhandlung kommen könnte.

Petra Rumpel verteidigte in ihrer anschließenden Stellungnahme die häufig kritisierte Fokussierung von „Rettet die Bienen“ auf den Pestizideinsatz. Volksbegehren müssten per se einen klaren Schwerpunkt haben und Pestizide seien zweifelsohne als wesentliche Verursacher des Artensterbens anzusehen. Des Weiteren betonte sie, dass sich das Volksbegehren nur auf artenschutzrelevante Landschaftsschutzgebiete beziehe und auch Enteignungen von Streuobstwiesen nie in Betracht gezogen worden seien. Rumpel äußerte sich positiv zum Eckpunktepapier und begrüßte die hierin geforderte Reduktion von Pestiziden nicht nur auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, sondern auch auf Siedlungs- und Verkehrsflächen. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Papiers sei das Vorhaben, die Forschung zu ökologisch verträglicher Landwirtschaft auszuweiten. Als ein besonderes „Bonbon“ des Eckpunktepapiers stellte sie die Einrichtung eines zentralen Registers der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg über Ausgleichsmaßnahmen heraus.

Dem Einwand einiger Landwirte aus den umliegenden Gemeinden von Offenburg, dass in der Landwirtschaft langfristig gedacht und geplant werden müsse und die Umsetzung zu schnell und unter zu großem Zeitdruck erfolge, entgegnete Rumpel, dass der Gesetzesentwurf dem Rechnung trage, weil er auf einen Zeitraum zwischen 2030 und 2035 ausgerichtet sei. Zudem wurde von Seiten der Landwirte kritisiert, dass das Konzept auf zu wenigen wissenschaftlichen Erkenntnissen basiere und der Komplexität des Themas nicht gerecht würde. So würden manche  ideologischen Schädlingsbekämpfungen tiefer ins ökologische Gleichgewicht eingreifen als der Einsatz von Pestiziden, manche Schädlinge, wie z.B. die Schwarze Kirschenlaus, hätten keine natürlichen Feinde und synthetische Pestizide seien häufig in geringerer Dosierung und mit längerer Wirkung einsetzbar als natürliche Produkte wie beispielsweise Backpulver. Darüber hinaus gaben die Landwirte zu bedenken, dass Alternativmaßnahmen etwa zu Glyphosat eine deutlich höhere Arbeitszeitbelastung nach sich zögen, teilweise, wie etwa im Terrassenanbau, alternativlos seien oder das Mähen in leichter zugänglichen Bereichen den klimaschädlichen Einsatz großer Mengen von Treibstoffen erforderlich machten. Auch könnten zunächst als geeignet erscheinende biologische Bekämpfungsmethoden Folgeprobleme nach sich ziehen, wie z.B. der Einsatz des effektiveren Asiatischen Marienkäfers, der zu einem starken Rückgang des einheimischen Siebenpunktmarienkäfers geführt habe. Zudem gebe es eingeschränkte Rechte an „biologischen Sorten“, so habe z.B. ein einziger Vermarkter das Recht an dem schorfresistenten Natyra-Apfel. Allgemein bemängelten die anwesenden Landwirte eine zu große Gängelung, die durch neue Gesetze noch weiter zunehmen könnte, und die in ihren Augen zunehmende Tendenz, die Landwirtschaft allgemein zu stigmatisieren, worunter v.a. kleinere und mittlere Betriebe zu leiden hätten.

Marwein betonte in seiner Replik, dass für die Landesregierung der Erhalt solcher bäuerlicher Betriebe zentral sei. Bis 2021 seien bereits 50 Millionen Euro bewilligt, es gebe einen „Strauß an Maßnahmen“, z.B. kostenlose Beratung, um die Landwirte zu unterstützen. Zahlreiche Redner betonten die Bedeutung der im Eckpunktepapier vorgesehene Intensivierung der Forschung.

Marwein verwies darauf, dass Gesetze nach zwei bis drei Jahren überprüft und gegebenenfalls angepasst würden. Überrascht zeigt sich Marwein von hohen Lizenzgebühren im Obst-, Gemüse- und Getreideanbau und darüber, dass, wie es ein Landwirt ausdrückte, „Biozertifizierungen die Erlöse schlucken“. Marwein sagte zu, sich hierüber umfassend zu informieren und sich für Erleichterungen einzusetzen.

Petra Rumpel stellte heraus, dass es neben dem Pestizideinsatz und den bereits ins Eckpunktepapier aufgenommenen Aspekten weitere mögliche Verursacher des Artensterbens wie etwa Monokulturen und Mobilfunk gebe, die zukünftig auch in Betracht gezogen werden müssten.

Unter den Anwesenden herrschte Einigkeit darüber, dass zur Sicherung der heimischen Landwirtschaft der Markt nicht von billigen (Bio-)Produkten aus dem Ausland überschwemmt werden dürfe. Marwein ergänzte in diesem Zusammenhang, dass sich Baden-Württemberg aktuell nur zu 30% autonom mit Lebensmitteln versorge. Auch war es Konsens, dass sinnvollere Formen der Subventionierung gefunden werden müssen. Subventionen hielten zwar die Lebensmittelpreise niedrig, die Bürger würden aber dennoch indirekt zur Kasse gebeten, ohne dass

die Landwirte letztlich faire Preise für ihre Produkte erzielen könnten. Marwein erläuterte, dass Subventionszahlungen der EU auf zwei Säulen basieren, bei ersterer erfolgten Direktzahlungen nach der Flächengröße, die zweite Säule seien Umweltmaßnahmen. Petra Rumpel bemängelte, dass die Bauernverbände v.a. die Großbetriebe repräsentierten und darauf hinarbeiteten, dass möglichst viel Geld in der ersten Säule verbleibe.

Einhellig waren die Anwesenden der Ansicht, dass dem Verbraucher eine wesentliche Rolle zukommt. Die Politik müsse die Existenz kleinerer und mittlerer Betriebe sichern und darauf hinwirken, dass der Verbraucher sich seiner großen Mitverantwortung für eine sozial verträgliche, ökologische und auf das Tierwohl ausgerichtete Landwirtschaft bewusst wird. Der Runde Tisch unterstrich die herausragende Bedeutung, die dem Informationsaustausch zwischen Bauern und Naturschutz zukommt. Die Veranstaltung wurde beiderseits als bereichernder Beitrag hierzu  angesehen.

Stephanie Suhr

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