Haushaltsrede von Ingo Eisenbeiß, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen Fraktion Offenburg

11. April 2022

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrter Herr Finanzbürgermeister,

sehr geehrte Frau Edler,

sehr geehrte Frau Spinner,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

ja, ich gebe es zu, dass es mir persönlich schwergefallen ist, nach der aufregenden Wahl um das Dezernat III zur Tagesordnung zurückzukehren.

Eine überzeugende und ausgewogene Haushaltsrede gerade zu diesem Zeitpunkt halten zu dürfen, oder muss ich jetzt eher sagen, halten zu müssen, empfinde ich als echte Herausforderung.

Ein kleiner, aber nicht unbedeutender Trost stellt dann doch die unerwartete positive Entwicklung bei der Gewerbesteuer für das letzte Jahr dar. So ergeben sich mit dem fast 5 Mio. netto über den letzten Planansatz wieder gewisse weitere Handlungsspielräume.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass wir uns über die Verlängerung „unseres“ Programms KOWO richtig freuen, um wahrscheinlich 20 bis 25 öffentlich geförderte Wohnungen, vielleicht auch für die kurzfristige Unterbringung von Flüchtlingen entstehen zu lassen. Wir sehen es tatsächlich als UNSER Programm an. Hier möchte ich etwas ausholen. Der Antrag war ein „Kind“ unserer ehemaligen grünen Stadträte Jürgen Ochs und Arthur Jerger. Dieser Antrag hatte so manche Tücken, vor allem rechtlicher Natur. Wie schon viele von unserer Seite gestellten Anträge fiel auch dieser bei den anderen Fraktionen nicht so sehr auf fruchtbaren Boden.

Unser Finanzbürgermeister hatte sich jedoch dieser Materie trotz aller Skepsis angenommen. Ihm und seinen Mitarbeitern haben wir es mitzuverdanken, dass am Ende ein Erfolgsmodell herausgesprungen ist. Heute steht die abermalige Verlängerung im Gemeinderat an.

Mit diesem kurzen Rückblick will ich auch darlegen, dass sich Herr Kopp in unserer Fraktion Vertrauen als Finanzbürgermeister erworben hat mit der Folge, dass wir Ihnen, Herr Kopp, aus Überzeugung ein neues Dezernat Finanzen, Eigenbetriebe und Beteiligungen übertragen hätten. Die anfänglich positiven Signale – nicht nur – aus der Fraktion der FW hatten uns sehr ermutigt, der Ausgang dieser Diskussion ist jedoch bekannt – die Argumente und Gegenargumente ebenfalls. Dass Mehrkosten im Bereich Personal in der Größenordnung von ca. 200 TEUR angefallen wären, wurde von uns nie bestritten, verwundert muss ich mir die Augen reiben, wenn ich mir die Anlage 6 „Veränderungsliste Stellenplan“ anschaue.

Meine Damen und Herren, es geht mir hierbei um die Kategorie S (strukturell). Ich zitiere hier jetzt wörtlich: „weitere zusätzliche Stellen, um den steigenden Herausforderungen und dem großen Wachstum extern, aber auch innerhalb der Verwaltung der letzten Jahre gerecht zu werden. Teilweise oder ganz gegenfinanziert.“

Die lobenswerten 10 ½ Stellen für zusätzliche Sprachförderprojekte in Kitas sind keineswegs Anstoß meiner Kritik und Besorgnis. Da haben wir unsere großartige Bürgerstiftung St. Andreas als Förderer an unserer Seite. Es geht mir jetzt ganz konkret um 12,53 zusätzliche Stellen wegen anscheinender steigender Fallzahlen und Komplexität. Das bereitet mir Sorgen.

Die Haushaltsbelastung für dieses Jahr liegt bei gut 1.6 Mio EUR, nächstes Jahr gar bei 2.5 Mio. EUR. Hierbei sollte man den Blick in die Berechnung der Personalkosten bis zum Ende des nächsten Doppelhaushalts legen. 64 Mio. EUR, hierbei ist ganz sicher nicht eingerechnet die aktuelle Entwicklung bei der Inflationsrate. Die kommenden Tarifverhandlungen dürften spannend, aber auch teuer werden. Dass z. B. eine Stelle für die stellvertretende Leitung des OB-Büros geschaffen wird, schlägt nicht unerheblich zu Buche. Dass Sie, Herr OB Steffens, zu diesem Ergebnis gelangen, nehmen wir vielleicht noch wohlwollend zur Kenntnis. Wir aus der Ferne können dies beileibe nicht einschätzen. Wenn jetzt aber noch die neue Stabsstelle EG 15 Stelle für den Katastrophenschutz – hinzukommt, sind wir allein bei diesen beiden Stellen in einer Kostenregion von über 200 TEUR, die für viele Gemeinderatsmitglieder zu viel war, um ein 4. Dezernat zu gründen.

Wir sind logischerweise Weise nicht in der Lage, neue Stellenplanungen richtig einzuschätzen. Dies betrifft auch die gerade angesprochene neue Stelle für den absolut vordringlichen Katastrophenschutz.

Wir sind in der Fraktion jedoch überzeugt, dass der ehemalige CDU-Haushaltsantrag für die Beauftragung eines externen Fachbüros in jeder Weise zielführend war. Es wäre eine große Chance für einen besseren Einblick unter Schaffung etwaiger Verbesserungsmöglichkeiten gewesen. Für unsere Fraktion war die Einlassung von Ihnen damals in keiner Weise nachvollziehbar.

Sie genießen als OB eine starke Stellung lt. den Vorschriften der BW-Gemeindeordnung, aber wir Gemeinderatsmitglieder sind der Souverän, das beratende, gestaltende und beschließende Organ. Wenn wir davon überzeugt sind, dass Hilfe und Unterstützung für unsere Verwaltung von Nöten ist, ist das zu respektieren. Es besteht in unserer Fraktion manchmal der Eindruck, dass hier von Ihnen, Herr Oberbürgermeister, taktiert wird. Das ist zwar ihr gutes Recht, deren Ausübung und Ergebnis an der ein oder anderen Stelle erscheint uns heute kontraproduktiv.

Was wir aber nicht mehr hinnehmen werden, sind nicht eingehaltene Zusagen.

Eine solche war für die Ausarbeitung eines Entwurfs zu sorgen – nämlich ganz konkret zur Höhe der Aufwandsentschädigung des Gemeinderats und zu den Sachmitteln und an allererster Stelle Personalmittel für die Fraktionen.

Nachdem auch ihre zweite Zusage zur Ausarbeiten eines Entwurfs für die Diskussion im Gemeinderat nicht eingehalten wurde, habe ich nunmehr – weil es sich auch um eine eigene Angelegenheit handelt- selbst dreifachen rechtlichen Rat eingeholt.

Aufgrund unserer Größe und Bedeutung in unserer Region Südbaden wäre es tatsächlich richtig und angemessen, Personalkosten für die Einrichtung einer Fraktionsgeschäftsführung zu übernehmen. Sogar kumulativ wäre es angemessen uns grundsätzlich externen Rat von Fachleuten – zu denken wäre hier vor allem an Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, die im kommunal steuerrechtlichen Bereich tätig sind, deren Kosten über zu erhöhende Fraktionsmittel ausgeglichen werden müssten.

Unsere Ratsmitglieder üben sich jedoch in großer Bescheidenheit, handeln diszipliniert und verantwortungsbewusst, segnen ohne großes Murren IKO ab und stellen in diesem DHH keine Fraktionsanträge. Wir sind uns alle der aktuell schwierigen Situation bewusst und handeln mit Weitblick. Wir ahnen sehr wohl welche Projekte auf uns zukommen werden.

 

Zum Thema Anträge der Fraktionen doch noch eine Bemerkung:

Von uns wurden bzw. werden sog. Gegenfinanzierungsvorschläge erwartet. Wir finden dies schwierig, zugegebenermaßen nicht gerecht. Wir haben u. U. keine Kenntnis, ob freie Finanzmittel aus einem Projekt übriggeblieben sind, die in einem eigenen Antrag als Gegenfinanzierungsvorschlag berücksichtigt werden können.

Persönlich interessieren mich u.a. immer die Projekte auch in Stufe II. Hier beläuft sich der Umfang auf über 180 Mio. EUR. Da möchte ich nur ein Beispiel nennen, getreu dem Motto „nach der Schulsanierung ist vor der Schulsanierung“. Da lassen wir uns aktuell bekanntlich nicht lumpen, und halten gleich drei Großbaustellen am Laufen. Wenn der sog. Neubau des Schillergymnasiums aus den 70-er Jahren erfolgreich abgeschlossen ist, geht es nicht lange. Es handelt sich um das Grimmelshausen – Gymnasium.

Unter lfd. Nr. 3.12. können wir erkennen, dass die defekte Heizung in den nächsten Monaten ausgetauscht werden muss. Die Kosten für ein BHKW wurden mit 250 TEUR neu veranschlagt. Dies könnte ein Indiz für den Gesamtzustand sein.

In diesem Zusammenhang möchte noch darauf hinweisen, dass damals keine PKW-Tiefgarage, sondern eine reine Garage für Fahrräder entstanden ist. Eine weise und zukunftsträchtige Entscheidung des damaligen Gemeinderats. Martin Grüber war damals unser Stadtoberhaupt. Wir werden ihn u.a. als Fahrradförderer per Excellence in Erinnerung behalten, hoffentlich auch als Vorbild bei den weiteren städtischen Verkehrsplanungen.

 

Eine abschließende Anmerkung habe ich noch zur Anlage 1, also den Veränderungen zur Einbringungsvorlage, genau zur lfd. Nr. 3.9, dem Baukostenzuschuss zur Sanierung und Erweiterung der kath. Kita Am Waldbach über 1.1 Mio. EUR. Gegen Grund und Höhe wäre im Prinzip nichts einzuwenden. Unsere städtischen Leitlinien sind bekannt.

Trotzdem habe ich eine hypothetische / rhetorische Frage. Wären wir da bereit gewesen tiefer in die Tasche zu greifen, um gute Stadtentwicklung und ein überzeugendes Mehrgenerationen-Projekt in die Wege zu leiten? Hintergrund meines Nachfragens ist doch, dass bereits vor über fünfzehn Jahren die Vinzentiushaus Offenburg GmbH die Gebäude für das Wohnen am Waldbach errichtete. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist unserer Verwaltung bekannt, dass es für das Gebiet östlich dieses Baus einen Bebauungsplan für ein Pflegeheim aus dem Jahre 1969 gibt. Städteplanerisch hätte man schon damals, allerdings auch später in verkleinerter Form vielleicht mehr erreichen können, als das übliche Bild von Seniorenwohnanlage, Pflegeheim und Kita nebeneinander wie es Jahrzehnte in unseren deutschen Städten üblich und gewohnt war. Dabei wissen wir von preisgekrönten Mehrgenerationen-Projekten in Baden-Württemberg. Den schwarzen Peter sollten wir hier nicht der Kath. Kirche geben, für moderne Stadtplanung wäre auch hier von unserer Seite Eigeninitiative bis hin zur eigenen Mitbeteiligung an einem Mehrgenerationen-Haus erforderlich gewesen.

 

Und der weitere Ausblick?

Nicht eingerechnet sind unsere ganz großen Zukunftsprojekte wie LGS und Sportpark Süd. An der Verwirklichung dieser beiden Projekte bestehen keine Zweifel. Es stellt sich jedoch die Frage, ob wir wirklich die geballten Investitionen von über 180 Mio. EUR aus der Stufe II nebenher verwirklichen können.  

Wir werden auf das Nachhaltigkeitskonzept 2040 sehr gespannt sein.

 

Abschließend kann ich es mir nicht verkneifen auch noch auf den Tagesordnung TOP 8 Beschlussvorlage 017/22 Änderung der Geschäftskreise der Dezernate I und II gem. § 44 Abs. 1 i. V. m. § 39 Abs. 2 GemO zu verweisen. Hierbei fällt mir ein weiteres Argument, welches gegen die Schaffung eines 4. Dezernats gefallen ist, ein. Die Veränderung der Geschäftskreise zwischen den Dezernaten würde zu aufwendig sein. Man habe bereits eine überzeugende Aufteilung. Man brauche keine Veränderung…

Jetzt, keine zehn Tage später nach der Dezernentenwahl, kommt es bereits zur ersten einvernehmlichen Veränderung zumindest in den Dezernaten I und II.

Für uns gilt es den Blick aber nach vorne und auf den nächsten Haushalt zu richten:

Wir hoffen da auf die Einrichtung eines Klimaschutzfonds. Unser Fraktionsmitglied Martin Ockenfuß hat hierzu im Ausschuss vor geraumer Zeit nachfragt und hatte den Eindruck, bei Ihnen, lieber Herr Bürgermeister Martini, nicht auf taube Ohren gestoßen zu sein. Sollten wir uns aber irren, kündigen wir bereits heute an, einen solchen Antrag zu stellen, selbst, wenn wir finanziell nicht mehr auf Rosen gebettet sein sollten, was wir alle inständig nicht hoffen.

 

Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

Es gilt das gesprochene Wort

Ingo Eisenbeiß

Artikel kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.