Beim 22. Digitalen Stammtisch hatten wir die stellvertretende Bundesvorsitzende Jamila Schäfer zu Gast. Thema war „Europa und die Weiterentwicklung der EU“.
Aktuelle Situation
Jamila machte deutlich, dass sie zu Beginn der Corona-Krise die Befürchtung hatte, dass die EU an dieser zerbrechen könnte: nationales Denken und My-Country-First-Politik nahmen stark zu, Grenzen wurden unkontrolliert geschlossen, Transporte brachen ein und Hilfen für besonders stark von der Pandemie betroffene Staaten im Mittelmeerraum wurden abgelehnt. Damit kam die Frage auf, was die EU eigentlich noch bringt, wenn es keine Solidarität gibt.
Vor der Pandemie hatte die EU bereits Rückschläge durch die schwierige Flüchtlingssituation erlitten. Als Erdogan tausende Flüchtlinge an die Grenze schickte, schloss Griechenland die Grenzen. Das Handeln der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen war stark kritisiert worden.
Ein Paradigmenwechsel in der Europapolitik habe es durch Merkels und Macrons gemeinsamen Vorschlag zur Unterstützung krisengebeutelter Staaten gegeben, dank dessen doch noch Zuschüsse bewilligt wurden. Jamila verbildlichte die Ernsthaftigkeit der Situation mit der Aussage, dass „das Fahrrad Europa kurz vor dem Umfallen war, dann aber – auch von Konservativen – doch nochmal rechtzeitig in die Pedale getreten wurde“. Leider seien die Zuschüsse dann durch Kürzungen im europäischen Haushalt in den Bereichen Klimaschutz und Infrastruktur erkauft worden.
Kritisch äußerte Jamila sich zum Einstimmigkeits-Prinzip, welches oft die Handlungsfähigkeit der EU blockiere.
Lösungsansätze
- Krisenfestigkeit des europäischen Haushaltes schaffen: Dies beinhalte Zuschüsse für Länder mit drohender Schuldenkrise, gleichzeitig gelte es, laufende Ausgaben nicht zu kürzen.
- Stärkung sozialer Rechte: Tarife müssten besser koordiniert und eine gemeinsame Unternehmens- und Digitalsteuer eingeführt werden.
- Stärkung der Kommunen: Kommunen müssten in ihrem Haushalt gestärkt werden, um ihre Handlungsfähigkeit zu erhalten bzw. auszuweiten. Dies sei essentiell für eine erfolgreiche Klimapolitik und eine gute soziale Infrastruktur.
- Globale Krisenresistenz schaffen: Sozial- und Umweltstandards müssten eine größere Rolle spielen und schädliche Importe gestoppt werden. So dürfe auch das Mercosur-Abkommen nicht ohne soziale und ökologische Absicherungen verabschiedet werden.
- Mehr Transparenz in Ratssitzungen: Protokolle sollten einsehbar und Entscheidungen klar nachvollziehbar sein.
- Mehrheitsentscheidungen einführen: Nur so lasse sich verhindern, dass einzelne Staaten wie Polen und Ungarn die EU in ihrer Außenpolitik bremsen.
- Parlament dem Rat gleichstellen: Es gelte die direkte Vertretung zu stärken und damit die Demokratie in der EU. So würden einzelne Bürger auch gegenüber ihrem Land in ihren Rechten gestärkt werden.
- Mangel einer einheitlichen Rechtsstaatlichkeitsdefinition: Die EU dürfe bspw. Orbans Handeln und aufkommende diktatorische Herrschaftsformen in der EU nicht einfach hinnehmen. Hierfür gelte es auch, ein gemeinsames Rechtsstaatlichkeits-Monitoring zu formulieren.
Als wichtigste Herausforderung bezeichnete Jamila, die Handlungsfähigkeit der multilateralen und demokratischen Politik zu beweisen. Die EU müsse sich zukunftsfähig aufstellen und dieses Bild nach außen tragen.
Wir bedanken uns bei Jamila für ihren Besuch bei unserem 22. Digitalen Stammtisch.