Rede zu unserem Antrag zu den Handelsabkommen
Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Kreisrätinnen und Kreisräte,
Die z. Z. verhandelten Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten und Kanada haben in den letzten Monaten für viel politischen Gesprächsstoff gesorgt. Die kommunalen Spitzenverbände und der Verband der kommunalen Unternehmer haben sich zwar für die Verhandlungen ausgesprochen, weisen in ihrem Positionspapier auch eindringlich auf die möglichen negativen Folgen für die Kommunen und Landkreise hin. Unsere Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen teilt diese Auffassung in wesentlichen Punkten und wir sind der Meinung, dass auch wir hier im Kreistag unserer Verantwortung gerecht werden sollten, indem wir die Verhandlungsführer der Europäischen Union auf die möglichen negativen Auswirkungen explizit für unsere Region aufmerksam machen und unseren Landrat um dessen aktive Unterstützung bitten.
Bitte lassen sie mich deshalb noch einmal in einer kurzen Stellungnahme eindringlich um ihre Zustimmung für unseren sicherlich als moderat zu bezeichnenden Antrag werben.
Die weltpolitische Situation hinsichtlich eines fairen globalen Handels ist sehr komplex. Die Entwicklungsländer haben sich bei den gescheiterten WTO-Verhandlungen in Mexiko 2003 zusammengetan und verhindern seither multilaterale Verträge, die ihnen durch die Subventionspolitik der Nordstaaten keine faire Chance auf eine nachhaltige Entwicklung vor allem im Bereich ihrer Agrarwirtschaft bieten. Die USA verstärken ihr wirtschaftliches Engagement mit den aufstrebenden Wirtschaftsmächten Indien und China und haben mit wichtigen Anrainerstaaten des Pazifiks bereits ein unterschriftsreifes Handelsabkommen ausgearbeitet und in Europa fühlen sich die Menschen überfordert mit den Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten in Nahen und Mittleren Osten sowie den Armutsflüchtlingen aus weiten Teilen Afrikas und dem Balkan.
In diesem politisch äußerst angespannten Umfeld verhandelt derzeit also die EU-Kommission mit einer Verhandlungsdelegation der USA mit dem Ziel den gegenseitigen Warenaustausch durch angeglichene Produktstandards und eine verbesserte Rechtssituation für Investoren weiter zu intensivieren.
Unsere Befürchtungen sind deshalb sicherlich nicht unbegründet, dass auf der Suche nach möglichst schnellen Kompromissen ein solcher Vertrag auch negative Auswirkungen auf die Kompetenzen des Ortenaukreises haben könnte und wir führen hierzu drei Beispiele auf: Die stationäre medizinische Versorgung, die Abfallentsorgung und die kleinbäuerliche Landwirtschaft.
Unser Landkreis hat in allen drei Bereichen ganz spezifische Modelle entwickelt, deren Erfolg eine wichtige Grundlage der gedeihlichen ökonomischen wie ökologischen Entwicklung ist.
Betrachten wir als erstes die Krankenhauslandschaft in unserer Region. Eine rein auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Klinik – und bei den privaten Klinikketten geht es nur ums Geld verdienen – wird es keine lange Debatten mehr geben um die ortsnahe stationäre Versorgung der ländlichen Bevölkerung oder die Schließung von kleineren Geburtsstationen. Es wird um die lukrativen Standorte in den großen Kreisstädten gehen, welche rechtlichen Möglichkeiten der Kreis hat, kleinere Häuser finanziell zu unterstützen und ab wann es ein ungleicher Wettbewerb ist zwischen privat betriebenen Krankenhäusern und solchen, die von Gebietskörperschaften direkt oder indirekt subventioniert werden.
Die Abfallbehandlung – ein zweites plausibles Beispiel – hier in der Ortenau gemeinsam mit dem Kreis Emmendingen beispielhaft vorgemacht, zukunftsweisend und inzwischen schon als Exportschlager vermarktet, allerdings mit Geldern der beiden Landkreise entwickelt und gefördert. Diese Art von Konkurrenz wird sicherlich vielen privaten Abfallentsorgern ein Dorn im Auge sein, denn mit Müll kann man bekanntlich noch viel mehr Gewinn erzielen, als das z. Z. der Landkreis macht, indem man zum Beispiel die Gebühren entsprechend anhebt. Wie verantwortungsvoll große Konzerne mit der Reinhaltung unserer Atmosphäre und der Umwelt umgehen, haben gerade bestimmte deutsche Unternehmen in jüngster Vergangenheit in Sachen Luftverschmutzung und Gesundheitsgefährdung eindrucksvoll bewiesen.
Als drittes Beispiel führen wir die hiesige kleinbäuerliche Landwirtschaft an. Es wäre wirklich naiv zu glauben, dass diese Art von Agrarwirtschaft, die so schon schwierig genug ist, nur einen einzigen Vorteil aus einem Handelsabkommen hat, das darauf ausgerichtet ist, den Handel mit Agrarprodukten über den Atlantik hinweg zu erleichtern und damit auf die massenhafte Herstellung von Lebensmitteln abzielt, die für kürzeste Wachstumsphasen und umso längere Transportwege entwickelt werden. Uns inzwischen ans Herz gewachsene Kriterien wie ökologischer Anbau, artgerechte Haltung, gentechnisch unveränderte Produkte oder Offenhaltung der Landschaft werden sich nur schwerlich behaupten können.
Sehr verehrte Kreistagskolleginnen und Kollegen,
wir behaupten in unserem Antrag nicht, dass auf den ersten Schritt eines bilateralen Handelsabkommens mit den USA oder Kanada unweigerlich der nächste Schritt mit den zu befürchteten Konsequenzen folgen wird. Durch den öffentlichen Druck ist hinsichtlich Transparenz und Sensibilität bei einigen Punkten schon manchen erreicht worden, wir haben jedoch weiterhin große Bedenken hinsichtlich absehbarer Risiken, die sich durch einen entfesselten Freihandel in vielen Lebensbereichen der Ortenau ergeben können.
Wir wollen heute in diesem Haus nicht die verschiedenen Positionen von Gegnern und Befürwortern der Handelsabkommen bewerten. Dies überlassen wir gerne den Fachleuten und Experten in Brüssel und unseren Abgeordneten in den zuständigen Parlamenten in Berlin und Straßburg, von denen wir einige auf unserer eindrucksvollen Brüsselreise kennen gelernt haben und die in ihren Fachgebieten überzeugend und kompetent argumentiert haben.
Ziel unseres Antrags ist es, gegenüber den verhandlungsführenden Parteien auf beiden Seiten ein sichtbares Zeichen zu setzen, gemeinsam mit anderen Landkreisen und Kommunen, dass wir hier auf der regionalen Ebene in der Ortenau weder bereit sind, auf bestimmte Bereiche unserer kommunalen Daseinsvorsorge noch auf Teile der erreichten Verbraucher- und Umweltstandards zu verzichten und dass wir auch zukünftig diese noch zielstrebig weiterentwickeln wollen.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.