Resolution zur Flüchtlingssituation an den EU-Außengrenzen / Griechenland
An den Außengrenzen zu Griechenland und auf den Inseln herrschen derzeit dramatische Zustände. Auf den griechischen Inseln kampieren rund 42 000 Geflüchtete. Im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos gibt es schon seit geraumer Zeit katastrophale Zustände. Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ beschreibt die Situation als „mittelalterlich“ mit kaum Zugang zu sauberem Wasser, Strom, sanitären Anlagen und Gesundheitsversorgung. 40% der Schutzsuchenden sind Kinder, im vergangenen Jahr starben dort drei. Es befinden sich aktuell rund 9000 Minderjährige auf Lesbos, davon sind rund 1100 ohne Eltern oder erwachsene Angehörige dort.
Dramatisch ist auch die soziale und ökologische Situation auf Lesbos selbst. Die Lebensmittelversorgung auf Lesbos und anderen Inseln erfolgt über hunderte von Kilometern vom griechischen Festland, da auf den Inseln keine entsprechende Lebensmittelproduktion möglich ist. Inselbewohner protestieren gegen die Aufnahme der Menschen, es bilden sich Bürgerwehren. Gewaltbereite Rechtsextremisten reisen aus EU-Ländern, u.a. auch aus Baden-Württemberg an, um gegen Geflüchtet gewaltsam vorzugehen. Angehörige der Medien und von Hilfseinrichtungen werden angegriffen. Das Zentrum des UNHCR für Neuankommende ist bei einem Brandanschlag völlig zerstört worden. Zwischenzeitlich haben die meisten Hilfsorganisationen ihr Personal abgezogen.
Seit Ende Februar lässt die Türkei Geflüchtete an die türkisch-griechische Grenze weiterreisen. Wir halten es für skandalös, dass der türkische Präsident Erdogan Flüchtlinge als Faustpfand für Verhandlungen mit der EU einsetzt. Dort werden sie von Grenzschutz und Polizei an der Einreise in die EU gehindert. Tränengas und Blendgranaten werden auch gegen Kinder und Frauen eingesetzt. Griechenland hat das Asylrecht für einen Monat „ausgesetzt“. Die Lage droht ständig weiter zu eskalieren. Denn der Krieg in Syrien und insbesondere in und um Idlib, verschärfen mit einer weiteren Million Flüchtlinge die humanitäre Katastrophe. Die Vereinbarung einer Waffenruhe in Idlib und die Einrichtung eines Sicherheitskorridors müssen nun genutzt werden, um die dringend benötigte humanitäre Hilfe zu der leidenden Zivilbevölkerung vor Ort zu bringen.
Hilfe muss jetzt kommen, denn insbesondere die Situation in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln ist unerträglich.
Die grüne Landtagsfraktion begrüßt die Hilfsbereitschaft von Kommunen in und außerhalb von Baden-Württemberg Flüchtlinge, insbesondere unbegleitete Minderjährige jetzt rasch aufzunehmen. Unsere Kommunen und Tausende von Ehrenamtlichen habe schon in den vergangenen Jahren Großartiges bei der Aufnahme von Flüchtlingen geleistet. Wir können erneut auf diese Hilfsbereitschaft setzen. Eine Aufnahme von Geflüchteten direkt von den griechischen Inseln ist als Kontingent grundsätzlich rechtlich möglich. Für ein solches Landesaufnahmeprogramm Nach § 23 I Aufenthaltsgesetz, läge es an Innenminister Strobl, das erforderliche Einvernehmen des Bundes einholen.
Wir unterstützen ausdrücklich den Appell unseres Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Damit soll den Ländern und den rund 140 Sichere-Hafen-Städten in Deutschland ermöglicht werden, ein Kontingent an besonders vulnerablen Menschen sofort aufzunehmen. Dazu gehören neben unbegleiteten Minderjährigen auch Alte und Kranke.
Der Beschluss der Großen Koalition in Berlin vom 9. März geht in die richtige Richtung, im Rahmen einer „Koalition der Willigen“ unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. Da sich bisher allein 140 Kommunen zur Aufnahme bereiterklärt haben, kann Deutschland auch mehr schultern.
Wir können den Menschen nicht zumuten weiter unter unwürdigsten Bedingungen auszuharren. Wir bekennen uns nach wie vor zu einer europäischen Lösung und einer gerechten Verteilung von Flüchtlingen innerhalb möglichst aller EU-Mitgliedsstaaten. Allein darauf können wir aber nicht warten. Die EU-Länder, die zur Flüchtlingsaufnahme bereit sind, müssen jetzt starten können. Wir können nicht warten, bis auch das letzte EU-Mitgliedsland die Notwendigkeit der Aufnahme anerkennt.
Die EU muss ihre Außengrenzen nach den Grundsätzen von Humanität und Ordnung schützen. Dabei müssen unbedingt völker- und menschenrechtliche Grundsätze gelten. Maßnahmen zur Grenzsicherung stehen unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Keinesfalls darf gegen unbewaffnete Menschen – darunter Familien und Kinder – gewaltsam vorgegangen werden. Menschen muss Schutz vor Verfolgung gewährt werden. Griechenland muss dem Recht, dass jeder Mensch die Möglichkeit haben soll einen Asylantrag stellen zu können wieder uneingeschränkt Geltung verleihen (Europäische Menschenrechtskonvention Artikel 2 und 3).
Griechenland benötigt Unterstützung bei der Registrierung, Versorgung und Unterbringung von Schutzsuchenden an der Grenze. Diese Aufgabe kann offensichtlich nicht mehr dem UNHCR und nichtstaatlichen Akteuren überlassen werden.
Unterstützung ist weiter nötig, um den Schutz der Geflüchteten und ihrer Betreuungs- personen vor Gewalt sicher zu stellen. Wir nehmen nicht hin, dass in einem Mitgliedsland der EU NGOs Ihre Arbeit einstellen müssen. Wir akzeptieren nicht, dass deutsche und andere Rechtsextremisten auf den griechischen Inseln ihr Unwesen treiben.
Die Vereinbarung einer Waffenruhe für die Region um Idlib muss für humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung genutzt werden. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung dafür 125 Mio. Euro an Hilfsgeldern zur Verfügung stellt.
Wir bitten die Landesregierung, konkrete Unterstützungsmöglichkeiten für die genannten Aufgaben zu prüfen.
Die Debatte in unserem Land über die Hilfe für Flüchtlinge darf nicht von Sorge vor einem Erstarken rechter Kräfte bestimmt werden. Die Werte Europas stehen auf dem Spiel, wenn wir jetzt nicht helfen.
Antragsteller: Fraktionsvorstand
(Stand: 10. März 2020)