Hans-Georg Pfüller zu Besuch beim 72. Digitalen Stammtisch

Beim 72. Digitalen Stammtisch des Kreisverbands Grüne Ortenau ging es um das Thema „Klimawandel – Herausforderungen für Waldbesitzer*innen im Ortenaukreis“. Gastredner war der Leiter des Amts für Waldwirtschaft beim Landratsamt Ortenaukreis Hans-Georg Pfüller.

Gleich zu Beginn verdeutlichte Herr Pfüller, dass es sich um einen Themenbereich handelt, der ihn sowohl aus waldbaulicher Sicht als auch im Hinblick auf Waldnaturschutz schon lange Zeit sehr interessiert und beschäftigt. Er betonte, dass es in dem Vortrag nicht darum gehe, Patentrezepte vorzustellen, sondern Denkanstöße und Diskussionsgrundlagen zu bieten.

Einleitend warf der Leiter des Amts für Waldwirtschaft einen Blick auf das Thema Klimawandel und Klimaprognosen.

Weitreichende Folgen des Klimawandels:

  • entscheidender Faktor (auch in der Ortenau) ist die Verschiebung der Vegetationszonen von kühl-feucht zu warm-trocken
  • Das Niederschlagsregime von Waldökosystemen verschiebt sich (mehr Niederschläge im Winterhalbjahr, der vegetationsfreien Zeit. Im Sommer hingegen wird Wasser zumindest phasenweise zum begrenzenden Faktor)
  • Extremwetterereignisse nehmen zu
  • Trotz Klimaerwärmung bleiben Spätfröste zumindest in den nächsten Jahrzehnten noch ein begrenzender Faktor
  • Einwanderung (aktiv) und Einschleppung (passiv, z.B. durch Güterverkehr) neuer Arten.

Herr Pfüller verwies darauf, dass abgestorbene Weißtannen und Rotbuchen an den Westhängen der Schwarzwaldrandlagen und bspw. dem Kinzigtal insbesondere in den letzten drei Jahren sehr häufig zu sehen waren.

Mit Karten der Wärmestufenzonierung Baden-Württembergs des 20. Jhd. und Prognosen für das Ende des 21. Jhd. wurde den Teilnehmer veranschaulicht, welche Veränderungen sowohl in den Tief- als auch in den Hochlagen durch höhere Durchschnittstemperaturen zu erwarten sind. Herr Pfüller betonte, dass insbesondere in den Höhenlagen die uns bekannten Wärmestufen verschwinden würden und wir verstärkt mit einem Klima rechnen müssten, wie wir es derzeit aus dem Mittelmeerraum kennen. Mit Grafiken verdeutlichte er die von Mai-September 2020 ständige Unterversorgung des Oberbodens mit Wasser. Entscheidend sei, dass solche Situation zunehmend zum Regelfall werden würden.

Anhand des Beispiels Buche in der Waldzustandserhebung 2020 wurde klar, dass 1984 noch 50 % der deutschen Buchenbestände intakt waren, 2020 jedoch nur noch 11 %. Der Istzustand sei heutzutage bei allen Baumarten wesentlich schlechter als in der Hochzeit der Waldsterbensthematik in den 80er-Jahren. Baumarteneignungskarten aus der forstlichen Forschung machten deutlich, dass beispielsweise die derzeit noch typische Tanne im Schwarzwald zunehmen als ungeeignet einzustufen sei.

Modellierungen zeigen, dass BaWü bezüglich der potenziellen natürlichen Vegetation und der klimatischen Verhältnisse bisher eine Großregion war, die (ohne menschliche Eingriffe) mehrheitlich mit Buchenmischwäldern bedeckt wäre. Durch die deutliche Verschiebung der Höhenzonen werden sich die Vegetationsformen und Waldgesellschaften wie wir sie kennen in naher Zukunft deutlich in die Höhe verschieben. Besonders dramatisch ist diese Verschiebung für die Arten der Hochlagen sowie von wassergeprägten Standorten wie Auen, da diese nicht ausweichen können. Im Ortenaukreis sind davon im Nordschwarzwald bspw. Hochmoore, Bergfichtenwälder und Zwergstrauchheiden betroffen.

Wie gut sich die Natur anpassen kann bzw. wie wir den Anpassungsprozess unterstützen sollten, hänge in entscheidendem Maße vom Tempo der Klimaveränderungen ab. Während unsere heutigen Wälder Jahrtausende Zeit zur Entstehung hatten, beziehen sich die nun relevanten Prognosen auf die nächsten 80 bis 100 Jahre. Die natürliche Anpassungsfähigkeit des Waldes werde durch das hohe Tempo des Klimawandels absehbar überfordert sein, so Herr Pfüller.

Wie unsere Wälder, Waldökosysteme und Artengemeinschaften in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aussehen könnten, zeige bspw. ein Blick auf Analogieregionen (wo sind schon heute sehr ähnliche klimatische Verhältnisse, wie sie bei uns zu erwarten sind). So könnten für die Ortenau verstärkt Waldgesellschaften in Frage kommen, wie sie heute in Süd- und Südosteuropa zu finden sind. Von fundamentaler Bedeutung würden v.a. unsere heimischen wärme- und trockenheitstoleranten Baumarten wie Traubeneiche, Hainbuche, Spitz- und Feldahorn oder auch Elsbeere werden. Daneben gewännen zunehmend klimatolerante Arten aus benachbarten Regionen an Bedeutung. Interessant werde es Herrn Pfüller zufolge dann auch, welche bewährten (alt-)eingeführten Baumarten (z.B. Walnuss, Esskastanie) sowie welche ergänzenden neuen Baumarten langfristig zu uns ins System passten.

Auf die Ortenau bezogen hielt Herr Pfüller fest, dass der Anteil an Nadelhölzern sinken und der Laubholzanteil zunehmen werde.

 

Perspektiven für die Baumarten im Ortenaukreis

Die wichtigsten Handlungsprinzipien in Hinblick auf waldbauliche Klimaanpassung seien die Erhöhung der Baumartenvielfalt im Bestand, eine möglichst große genetische Vielfalt (Naturverjüngung), die Erhaltung und Erhöhung der Strukturvielfalt im Bestand, eine konsequente und gezielte Pflege der Wertträger (gute Vitalität und Stabilität) sowie die Stabilisierung bzw. Erhöhung der Biodiversität.

Perspektiven für den Waldnaturschutz

Für den Waldnaturschutz müssten in Zukunft mehr dynamische Modelle entwickelt werden, da statische Ansätze zunehmend mit der Dynamik des Klimawandels kollidieren würden, so der Leiter des Amts für Waldwirtschaft. Wichtige Brücken für den Arten- und Biotopschutz im Wald stellten Vertragsnaturschutz (Privat- und Kommunalwald) sowie Ökokonten (Schwerpunkt Kommunalwald) dar.

Perspektiven für (Privat-)Waldbesitzer*innen

Im Hinblick auf die Ortenau hob Herr Pfüller die herausragende Bedeutung von Privatwald hervor. Sowohl vom Flächenanteil als auch hinsichtlich der Bedeutung für den Naturraum spiele Privatwald eine entscheidende Rolle. Somit seien aktive, leistungsfähige Privatwaldbesitzer wichtige Partner im anstehenden Anpassungsprozess an den Klimawandel. Strukturwandel, Generationenwechsel und gestiegene gesellschaftliche Ansprüche wie Freizeitnutzung und Naturschutzauflagen erschwerten Privatwaldbesitzern heutzutage ihre Arbeit. Ziel müsse es aber sein, Privatwälder zu stabilisieren und dadurch ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten. Unterstützung erhalten Privatwaldbesitzer hierbei durch Information, Beratung und Förderung. Zielkonflikte seien unvermeidbar, was einen intensiven und konstruktiven Dialog umso wichtiger mache.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Herrn Pfüller für den interessanten und informativen Vortrag.

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